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Kritisches Plädoyer für die Organspende

Kritisches Plädoyer für die Organspende

Rund 12.000 schwer kranke Menschen in Deutschland hoffen auf eine Organtransplantation, täglich kommen etwa 14 Patienten hinzu. Die Bereitschaft in der Bevölkerung, anderen Menschen nach dem eigenen Tod Organe für die lebensrettende Transplantation zur Verfügung zu stellen, nimmt jedoch seit Jahren ab. Als Gründe gelten die immer noch lückenhafte Information der potenziellen Spender und die Transplantationsskandale in der jüngsten Vergangenheit. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) im Rathaus der Stadt Vechta haben Fachärzte über die medizinischen und politischen Zusammenhänge aufgeklärt und betroffene Patienten ihre Erfahrungen geschildert.

Gundula Küper aus Vechta berichtete von ihrem Leidensweg, der erst mit einer erfolgreichen Nierentransplantation vor acht Jahren ein glückliches Ende fand. Eines Morgens hatte sie als Dialysepatientin die erlösende Nachricht erhalten, dass eine Spenderniere für sie bereitgehalten wird. Die Dialyse, im Volksmund "Blutwäsche" genannt, hatte bis zu diesem Tag fast sieben Jahre lang ihr Leben bestimmt – aber auch ihr Überleben gesichert. "Nur bestimmte Tage in der Woche standen mir zur freien Verfügung, die übrigen gehörten der mehrstündigen Behandlung. An eine normale Urlaubsplanung oder den unbekümmerten Verzehr vieler Nahrungsmittel war nicht zu denken", erinnert sich Küper. Die Operation und die neue Niere haben das Leben der Patientin grundlegend zum Positiven verändert.

Michael Hohmann, Chefarzt der nephrologischen Abteilung am St. Marienhospital, engagiert sich seit vielen Jahren für die Organspende. In seinen einleitenden Worten warb der Mediziner für die bewusste Entscheidung für einen Organspendeausweis. "Organspende ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Gerade angesichts der derzeitigen Vertrauenskrise nach den Skandalen unter anderem in Göttingen und Regensburg ist verstärkte Aufklärungsarbeit gefragt", sagte der Transplantationsbeauftragte des Vechtaer Krankenhauses. Unterstützung aus der örtlichen Politik erhielt er von Vechtas Bürgermeister Helmut Gels, der die rund drei Dutzend Zuhörer per Videobotschaft eindringlich zur Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema aufforderte.

Dr. Thorsten Doede, kommissarischer geschäftsführender Arzt der DSO-Region Nord und Dr. Harald Schrem, Transplantationschirurg an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), waren der Einladung nach Vechta gefolgt und erweiterten mit zwei Vorträgen den Blickwinkel auf das Thema Organspende.

Welche Schritte von der Feststellung des Todes beim Spender bis zu einer erfolgreichen Transplantation eines Organs erforderlich sind, stellte Dr. Thorsten Doede in einem anschaulichen Vortrag dar. Die gewissenhafte Prüfung und Feststellung des Hirntods und eine auf wenige Stunden begrenzte zeitliche Abfolge der Verfahren seien eine medizinische und logistische Herausforderung. Er betonte die ethische Verantwortung der behandelnden Ärzte: "Bis zur endgültigen Gewissheit, dass die Hirnfunktion unumkehrbar erloschen ist, gilt die ärztliche Verpflichtung, den Patienten zu heilen." Dr. Harald Schrem verdeutlichte die Fortschritte, aber auch die Defizite der Transplantationsmedizin aus der Sicht des Chirurgen und sprach die kritische Entwicklung bei der Spendenbereitschaft nach dem jüngsten Organspende-Skandal unumwunden an. "Die offenbar nicht regelkonforme Vergabe von Spenderlebern hat maßgeblich dazu beigetragen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin zu beschädigen. Es besteht Reformbedarf", räumte der Vertreter des größten deutschen Transplantationszentrums ein. Das System der Vergabe, aber auch die Spenderkriterien gehörten auf den Prüfstand. Unverzichtbar sei hierbei neben der Entwicklung neuer medizinischer Standards die Einbeziehung von Patientenorganisationen und somit die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum verdeutlichte, dass es in der Vertrauenskrise auf die bürgernahe und glaubhafte Information ankommt. Medizin und Politik müssten nachweisen, dass aus den Fehlentwicklungen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Entscheidend sei nach Ansicht aller Diskussionsteilnehmer die regelmäßige und auch für den Laien verständliche Information über die Organspende.